so steht´s im Grundgesetz
Der Grundsatz der Tarifautonomie ist in Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz festgelegt.
Vergütungen und die sonstigen Arbeitsbedingungen werden daher vielfach in Tarifverträgen
bestimmt. Ein Tarifvertrag kann auf Arbeitnehmerseite nur von den Gewerkschaften, auf
Arbeitgeberseite dagegen sowohl von Arbeitgeberverbänden (Verbandstarifvertrag) als auch
von jedem einzelnen Arbeitgeber (Firmen-, Werk- oder Haustarifvertrag) abgeschlossen
werden. Rechtsgrundlage für das Tarifrecht ist das Tarifvertragsgesetz (TVG).
2. Was regelt ein Tarifvertrag?
Der Tarifvertrag regelt die Pflichten und Rechte der Tarifvertragsparteien. Er trifft
Regelungen, insbesondere über den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung der
erfassten Arbeitsverhältnisse. Er kann auch betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche
Fragen regeln.
Tarifverträge können grob unterschieden werden in
Ø Manteltarifverträge: Diese regeln typischer Weise allgemeine Arbeitsbedingungen,
Ø Urlaubsansprüche, Kündigungsfristen etc.
Ø Entgelttarifverträge
Ø Sozialkassentarifverträge, z.B. in der Bauwirtschaft
Daneben gibt es Sondertarifverträge, z.B. für vermögenswirksame Leistungen oder
Zusatzversorgungen. Natürlich gibt es auch Tarifverträge, die mehrere der genannten
Punkte in einem Vertrag regeln. Ob und welche Arten von Tarifverträgen es gibt, variiert je
nach Branche.
3. Wann gilt ein Tarifvertrag für ein Arbeitsverhältnis?
a) Mitgliedschaft in tarifvertragschließenden Parteien (Tarifgebundenheit)
Die in Tarifverträgen vereinbarten Arbeitsbedingungen gelten grundsätzlich nur für die
Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, d.h. wenn sowohl
der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft als auch der Arbeitgeber
Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes oder beim Firmentarifvertrag selbst
Tarifvertragspartner ist.
b) Bezugnahmeklausel im Individualarbeitsvertrag
Die Anwendung von tarifvertraglichen Regelungen in ihrer Gesamtheit oder nur in einzelnen
Punkten kann auch einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart
werden; dem steht es gleich, wenn die Anwendung von tarifvertraglichen Regeln betriebs-
üblich ist.
Wichtig ist zu überlegen, ob nur einzelne Punkte eines Tarifvertrags für ein Arbeitsverhältnis
anwendbar sein sollen oder der Tarifvertrag insgesamt und dies im Arbeitsvertrag
entsprechend deutlich zu regeln.
Eine Verweisung auf einen Tarifvertrag kann unterschiedlich weit reichen. Möglich sind z.B.
sog. dynamische Verweisungen, die verschiedene Reichweiten haben können, etwa auf den
in Bezug genommenen Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung (sog. kleine
dynamische Verweisung) oder auf die jeweilige Fassung des einschlägigen Tarifvertrages
(sog. große dynamische Verweisung) oder statische Verweisungen, d.h. auf den Tarifvertrag
in der Fassung, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages gilt. Es ist wichtig,
auf eine entsprechende Formulierung im Arbeitsvertrag zu achten.
c) Allgemeinverbindliche Tarifverträge
Tarifverträge gelten daneben auch für sonst tarif-ungebundene Arbeitnehmer und
Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt,
der für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung führt zu
einer unmittelbaren und zwingenden Wirkung des Tarifvertrages (§ 5 TVG).
Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfolgt auf Antrag der Tarifvertragsparteien durch das
Bundesarbeitsministerium. In vielen Branchen mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen sind
nicht alle bestehenden Tarifverträge auch allgemeinverbindlich, sondern oft nur einzelne
Tarifverträge, z.B. der Entgelttarifvertrag, teilweise auch nur bestimmte Regelungen
einzelner Tarifverträge. Erfasst werden von einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag alle
Arbeitsverhältnisse, die unter den Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages
fallen (s. unter 4.).
Für allgemeinverbindlich erklärt werden kann ein Tarifvertrag, wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn
Ø der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen
überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
Ø die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die
Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung
verlangt.
Ø Sonderregeln zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung gelten für sog. gemeinsame
Einrichtungen, wie z.B. die Sozial- und Urlaubskassen des Baugewerbes.
4. Welcher Tarifvertrag gilt?
Häufig stellt sich die Frage, welcher von mehreren in Frage kommenden Tarifverträgen gilt.
a) Geltungsbereich
Ob ein Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt, hängt neben
der Tarifgebundenheit von dessen räumlichem, betrieblichem, zeitlichem und persönlichem
Anwendungsbereich ab, den die Tarifvertragsparteien festlegen können. Mit dem
betrieblichen Anwendungsbereich wird bestimmt, für welche Betriebe ein Tarifvertrag gelten
soll. Regelmäßig wird dabei vom Zweck des jeweiligen Betriebes ausgegangen. Maßgeblich
ist der arbeitstechnische Zweck der betrieblichen Tätigkeit, der durch die überwiegend im
Betrieb geleistete Arbeit oder die Merkmale, die dem Betrieb das „Gepräge geben“,
festgelegt wird, nicht aber durch den wirtschaftlichen Zweck des Betriebes.
b) Zusammentreffen mehrerer Tarifverträge
Es besteht die Möglichkeit, dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge aufeinandertreffen.
Verursacht werden kann ein solches Aufeinandertreffen z.B. durch ein Nebeneinander von
einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag und einem Haustarifvertrag oder wenn es nach
Berufsgruppen organisierte Gewerkschaften gibt. Die Frage, welcher Tarifvertrag in einem
solchen Fall gilt, kann in einem Merkblatt nicht dargestellt werden. Auch das im Jahr 2015 in
Kraft getretene Tarifeinheitsgesetz, dessen zentrale Regelung § 4a TVG ist, enthält nicht für
alle Fälle des Zusammentreffens mehrerer Tarifverträge eine Regelung zu der Frage,
welcher Tarifvertrag anwendbar ist. In derartigen Fällen ist eine detaillierte rechtliche
Beratung notwendig.
5. Auswirkungen der tarifvertraglichen Regelungen für das einzelne Arbeitsverhältnis
Die Arbeitsverhältnisse werden bei Tarifbindung durch den Tarifvertrag unmittelbar und
zwingend gestaltet, unabhängig davon, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die einzelnen
Regelungen kennen. Von den Bestimmungen des Tarifvertrages kann zum Nachteil des
Arbeitnehmers nicht abgewichen werden. Der Arbeitnehmer hat bei bestehender tariflicher
Bindung daher z. B. Anspruch auf den tariflichen Lohn, auch wenn er ausdrücklich mit dem
Arbeitgeber eine niedrigere Vergütung vereinbart hat. Eine Abweichung von dem Tarifvertrag
zugunsten des Arbeitnehmers ist jedoch möglich (z.B. übertarifliche Vergütung). Es gilt die
Regel: Treffen arbeits- und abweichende tarifvertragliche Regelung aufeinander, gilt die für
den Arbeitnehmer günstigere (Günstigkeitsprinzip).
Zahlt ein Arbeitgeber „unter Tarif“, obwohl er dazu verpflichtet wäre, nach Tarifvertrag zu
zahlen, muss er ggf. nicht nur den Lohn, sondern auch die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
Darüber hinaus muss ein Arbeitgeber die in seinem Unternehmer geltenden Tarifverträge für
jeden Arbeitnehmer einsehbar im Betrieb auslegen.
6. Nachwirkung von Tarifverträgen
Die Regelungen eines Tarifvertrages können auch nach dessen Ablauf weiter gelten (sog.
Nachwirkung). Sofern eine Nachwirkung durch den Tarifvertrag selbst oder die
Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, gilt Folgendes:
Nur für Arbeitsverhältnisse, die während der Laufzeit des Tarifvertrages bestanden haben,
gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages nach seinem Ablauf weiter, bis sie durch eine
andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG).
Eine „andere Abmachung” braucht kein Tarifvertrag zu sein; es kann sich dabei auch um eine Betriebsvereinbarung oder einen Einzelarbeitsvertrag handeln. Für die Nachwirkung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge gelten diese Regeln entsprechend. Die Nachwirkung allgemeinverbindlicher Tarifverträge besteht für nicht Organsierte auch dann weiter, wenn für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die durch Mitgliedschaft bei den Tarifvertragsparteien tarifgebundenen sind, bereits ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wurde, dieser aber nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurde.
7. Tarifregister
Abschluss, Änderung, Beendigung und Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen
sind in einem bei dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales geführten
Tarifregister einzutragen. Auch von den Landesarbeitsministerien wird ein derartiges
Tarifregister geführt. Das Tarifregister informiert über das Bestehen oder Nichtbestehen von
Tarifverträgen, über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung
von Tarifverträgen sowie über Inhalte von Tarifverträgen oder Einzelbestimmungen
aus Tarifverträgen. Das Tarifregister erteilt nur Tarifauskünfte, keine anderen
arbeitsrechtlichen Auskünfte.